
IHK Köln Wahlforum 2025
Am 19. Februar besuchte ich das Wahlforum 2025 der IHK Köln. Es war die vierte und letzte Veranstaltung der Serie “Wahl-Foren der IHK Köln zur Bundestagswahl 2025”. Da die Wahl unmittelbar bevorsteht, war das Podium hochkarätig besetzt. Unter den Teilnehmern befanden sich unter anderem Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), der Parteivorsitzende der Grünen Felix Banaszak, der FDP-Parteichef Christian Lindner, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU Jens Spahn sowie Kai Gottschalk, stellvertretender Bundessprecher der AfD.
Die Veranstaltung wurde von Frauke Holzmeier, RTL Ressortleiterin für Wirtschaft, moderiert. Sie führte engagiert durch den Abend.
Der Hauptgeschäftsführers der IHK leitet lautete mit fünf punkten ein, von denen der erste lautete:
Wir sind froh, dass die Ampel im November frühzeitig beendet wurde. Wir sind denen dankbar, die daran gearbeitet haben, dass dies passiert ist, denn wir freuen uns über vorgezogene Neuwahlen.
Uwe Vetterlein
Auffällig war die Verwendung des Wortes „wir“, wobei unklar blieb, inwieweit diese Aussage die Meinung der gesamten IHK bzw. ihrer Mitglieder widerspiegelt. Eine repräsentative Umfrage wurde nicht erwähnt.
Unerwartet gering waren auch die Sicherheitsmaßnahmen. Trotz vorheriger Ankündigung, fanden keine Ausweiskontrollen statt. Draußen standen lediglich wenige Landespolizisten. Im Inneren waren ebenfalls nur wenige Bundespolizisten und Personenschützer sichtbar – eine für mich überraschende Beobachtung angesichts der Anwesenheit eines Bundesministers und mehrerer Parteivorsitzender.
Auf dem Weg zur Veranstaltung verteilten Mitglieder der Linken Flyer, um gegen die Teilnahme der AfD zu protestieren. Laut ihrer Website hatten sie die Veranstaltung offiziell boykottiert, sie untermalten ihren Protest mit Gesang und Sprechchören.
Publikumsfragen
Das Publikum konnte über das Tool Slido Fragen einreichen. Insgesamt wurden 102 Fragen gestellt, davon 75 anonym. Zu meiner Überraschung wurde meine eigene Frage, die auf Platz drei der am meisten geliketen Fragen landete, von der Moderatorin als erste an die Politiker gerichtet.
Themen
Der Abend wurde durch sogenannte MAZen – Einspieler mit Originaltönen – strukturiert. Diese enthielten Stimmen aus der Mitgliedschaft der IHK, die gezielt Themen einbrachten:
- Wer rettet die Wirtschaft?: Luise Farina als Vertreterin eines Traditionsunternehmens aus Köln
- Bürokratie: Tina Gerfer von der Wilhelm Rasch GmbH sprach über die bürokratischen Anforderungen.
- Energie: Philip Barke von Covestro äußerte sich zu den Herausforderungen im Bereich Energie und Energiepreise.
- Fachkräftemangel: Riee Johsen von Kampf GmbH beleuchtete die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Ich empfand dieses Format als eine gelungene Methode, um mit authentischen Stimmen aus der Wirtschaft den Abend zu strukturieren und den Diskussionsteilnehmern Stichworte zu geben.
Bürokratie
Was tun Sie, um Soloselbstständigen mehr Sicherheit zu geben und sie vor dem Damoklesschwert der vermeintlichen Scheinselbständigkeit zu schützen?
Slido Frage
Auch wenn die Moderatorin mehrfach ansetzte, die Frage zu stellen, redeten die Politiker lieber über eigene Themen, bis letztendlich Christian Lindner antwortete:
Wir müssen das Feststellungsverfahren ändern. Das kann nicht und darf nicht mehr die Rentenversicherung sozusagen mit Handauflegen machen.
Christian Lindner
Es muss erstens eine unabhängige Stelle sein, die fragt: selbständig oder nicht?
Und zweitens brauchen wir eine rechtssicher definierte Positivliste: Wann ist jemand selbständig und wann nicht?
Dann kann man nämlich einfach abhaken. So wie es jetzt läuft, ist es mehr oder weniger eine Ermessensentscheidung der Rentenversicherung, die eigene Interessen hat, nämlich Leute in die Kasse zu bekommen. Das kann nicht so bleiben.
Deshalb: Rechtssicherheit auf gesetzlicher Basis mit unabhängiger Stelle.
Felix Banaszak meinte, dass er einiges, was Lindner gesagt hat, zustimmen kann. Leider wurde er an dieser Stelle von der Moderatorin mit einem Lob (“Da haben wir den ersten Erfolg des Abends”) unterbrochen, wodurch eine ausführlichere Antwort verhindert wurde.
Meinung: Schade, dass die anderen Redner diese für mich existenzielle Frage ignoriert haben. Für mich ist klar: Ich bin selbständig. Ich arbeite, wann ich will, wie ich will, wo ich will. Ich trage mein eigenes Risiko, muss mich um Hardware, Fortbildung und Bürokratie kümmern. Dieses Risiko nehme ich aber gerne in Kauf, weil mir diese Freiheit unglaublich wichtig ist. Ich wünsche mir jedoch mehr Rechtssicherheit und weniger Graubereiche.
Energiepolitik
Das Thema Kernkraft wurde angesprochen, doch die Debatte blieb oberflächlich. Besonders auffällig war, dass bei den Strompreisen zwar über verschiedene Technologien gesprochen wurde, aber niemand das Merit-Order-System thematisierte.
Schwach fand ich zudem, wie sich die Diskussionsteilnehmer darüber stritten, wer den Kernkraftausstieg beschlossen hat, anstatt sich mit den eigentlichen Herausforderungen der Energiepolitik auseinanderzusetzen.
Wie zu erwarten war, fiel erneut die oft bemühte Phrase der “Technologieoffenheit”.
Jens Spahn argumentierte, dass der Netzausbau die erneuerbaren Energien verdeckt teurer mache. Dem widersprach Felix Banaszak, der betonte, dass ein gut ausgebautes Netz entscheidend sei, wenn das Energiesystem auf eine verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien ausgerichtet werden soll.
Fachkräftemangel
Die MAZ thematisiert die zunehmenden Herausforderungen des Fachkräftemangels in Deutschland. Bis 2030 könnten rund drei Millionen qualifizierte Arbeitskräfte fehlen, wodurch Unternehmen Schwierigkeiten haben, geeignetes Personal zu finden und langfristig zu binden. Ein zentrales Problem stellt die Vereinbarkeit von Beruf und Familie dar, insbesondere für Frauen. Zudem erschweren bürokratische Hürden, langwierige Verfahren bei Arbeitsgenehmigungen und die komplizierte Anerkennung ausländischer Abschlüsse den Zugang internationaler Fachkräfte zum deutschen Arbeitsmarkt. Dies könnte dazu führen, dass viele qualifizierte Arbeitskräfte Deutschland als weniger attraktiv wahrnehmen. Gleichzeitig fehlt vielen jungen Menschen ein Berufsabschluss, während Deutschland für hochqualifizierte Zuwanderer, insbesondere aus nicht-westlichen Ländern, als wenig einladend gilt, was eine weitere Hürde für die Bekämpfung des Fachkräftemangels darstellt.
Die AfD fordert eine Senkung der Steuer- und Abgabenlast, sodass ein Gehalt ausreicht, um eine Familie zu ernähren. Die SPD setzt auf das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, mehr bezahlbaren Wohnraum und eine verbesserte Kinderbetreuung. Die FDP plädiert für weniger Bürokratie, eine schnellere Anerkennung ausländischer Abschlüsse sowie steuerliche Anreize für längere Arbeitszeiten. Die Grünen sehen den Schlüssel in einem besseren Ausbau der Kinderbetreuung und einer schnelleren Integration geduldeter Personen in den Arbeitsmarkt. Die CDU/CSU hingegen fordert eine strengere Kontrolle und Regulierung der Migration.
Kompromisse
Am Ende der Veranstaltung stellte die Moderatorin die Frage, in welchen Bereichen die Diskussionsteilnehmer Kompromisse sehen.
- AfD: Zeigt sich offen für Gespräche über eine Reform der Europäischen Union.
- CDU/CSU: Stellt die Frage wo man keine Kompromisse machen kann.
- FDP: Schließt eine Koalition mit den Grünen aus. Betont die Notwendigkeit, das Sicherheitsgefühl der Menschen zu stärken und die Kontrolle wiederherzustellen.
- Grüne: Kompromisse sind das Wesen eine Demokratie. Sehen die Notwendigkeit, vor einer Wahl die Positionen klarzumachen und nach einer Wahl Konsens zu finden.
- SPD: Sieht erfolgreiche Kompromisse in der Vergangenheit. Z.B. in der Gesundheits- und Pflegepolitik.
Eindrücke
Reaktionen aus dem Publikum
Lediglich zwei Personen applaudierten den Aussagen von Herrn Gottschalk, während der Applaus für die anderen Politiker in erster Linie auf Basis ihrer Aussagen und nicht aufgrund ihrer Parteizugehörigkeit erfolgte.
Und solange bei Ihnen solche Menschen Verantwortung haben und ihre Vorsitzende sogar sagt, der könnte Minister werden, solange Sie Leute in ihren Reihen haben, die von Putin Geld nehmen – was das mit nationalem Interesse zu tun hat, muss mir bei Gelegenheit noch jemand erklären – solange das so ist, werden wir mit Ihnen nicht regieren.
Jens Spahn
Diese Aussage wurde vom gesamten Publikum mit starkem Applaus quittiert.
Fazit
Banaszak und Lindner haben sich besonders hervorgetan, Lauterbach und Spahn hielten sich hingegen eher zurück und nahmen eine weniger dominante Rolle in der Diskussion ein. Möglicherweise wegen der Rollen: Wir hatten zwei Gesundheitspolitiker und zwei Parteivorsitzende auf dem Podium.
Disclaimer
Ich bin weder Journalist noch Politiker, sondern ein aufmerksamer Beobachter des politischen Geschehens. Ich teile hier meine Eindrücke und Einschätzungen.